Zölle, Gegenzölle, Exportkontrollen: China nutzt im Handelskonflikt mit den USA erneut seine Vormachtstellung bei Seltenen Erden – mit potenziell weitreichenden Folgen für globale Lieferketten.
Seit dem 4. April gelten Ausfuhrauflagen für die meisten schweren Seltenen Erden. Die Reaktionen am Markt reichen von Nervosität bis Aktionismus. Die Rohstoffexperten von TRADIUM haben sich bewusst Zeit genommen, um die Lage nüchtern zu analysieren. Das Fazit: Die Maßnahmen treffen auf einen (ohnehin) angespannten Markt und könnten die Versorgungssicherheit sowie das Preisniveau beeinflussen. Aufgrund der aktuellen Unwägbarkeiten, die eine realistische Preisbildung so gut wie unmöglich machen, hat sich Deutschlands wichtigster Händler für diese Rohstoffe dazu entschieden, den Kauf und Rückkauf von Dysprosium und Terbium als Sachwert bis auf Weiteres zu stoppen.
Ausfuhrkontrollen für verschiedene Vertreter der Seltenen Erden
Im Zuge des sich zuspitzenden Handelsstreits mit den USA hat China seine Maßnahmen verschärft und in der ersten Aprilwoche neue Ausfuhrbeschränkungen für Kritische Rohstoffe eingeführt. Als Antwort auf geplante US-Strafzölle auf chinesische Produkte verlangt Peking seit Anfang April spezielle Exportlizenzen für bestimmte Vertreter der Seltenen Erden. Konkret geht es dabei um Dysprosium, Terbium, Yttrium, Gadolinium, Samarium, Lutetium, Scandium sowie deren Verbindungen. Metalle also, bei denen das Land eine dominierende Rolle einnimmt. Über 90 Prozent der weltweiten Produktion Seltener Erden stammen aus China. Diese Rohstoffe sind essenziell für Hochtechnologien wie Elektromobilität, Windkraft oder Militärtechnik.
In den ersten Wochen nach der Ankündigung überwog große Verunsicherung, verschiedene Medien legten die Beschlüsse zwischenzeitlich als Exportverbot aus. Darum handelt es sich laut dem Nachrichtenportal Rohstoff.net jedoch nicht. Allerdings sind die Exporte de facto derzeit ausgesetzt, da sich die chinesischen Exporteure und Behörden erst an die neue Situation anpassen müssen. Die genauen Ausfuhrregeln und Anwendungsgebiete der betroffenen Seltenen Erden hat Rohstoff.net in einer Übersicht zusammengefasst.
Experten warnen vor Konsequenzen: Strategische Lagerhaltung als Knackpunkt
TRADIUM beobachtete den Markt in den vergangenen Wochen genau, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen und so vorschnelle Schlüsse zu vermeiden. Für diese Brancheneinblicke interessierten sich jüngst auch diverse Medien. Wie schnell könnte es zu Lieferengpässen kommen? Welche Industrien wären davon besonders betroffen und welche Preisentwicklungen sind möglich? Wie kann die langfristige Versorgungssicherheit gewährleistet werden? So lauteten nur einige der derzeit drängenden Fragen.
Matthias Rüth, Geschäftsführer von TRADIUM, warnte im Gespräch mit ntv vor gravierenden Folgen der chinesischen Exportkontrollen für schwere Seltene Erden. „Die Welt ist fast vollständig abhängig von China, das über 95 Prozent des Marktes kontrolliert.“ TRADIUM sieht sich selbst gut aufgestellt: „In unserem Lager in Frankfurt liegen über 300 Tonnen – unsere Kunden müssen sich aktuell keine Sorgen machen.“ Für viele Industrieunternehmen, die auf Just-in-Time setzen, sei die Situation jedoch riskant: „Ohne Lagerbestand reden wir im Ernstfall über wenige Wochen bis zum Produktionsstopp.“ TRADIUMs Seltenerdexperte Jan Giese weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Aufbau strategischer Reserven entscheidend sein könne, damit die EU und Deutschland im Fall von Unterbrechungen Zeit gewinnen. „Länder wie Japan, Südkorea und die USA verfügen bereits über staatlich gestützte Vorräte. In der EU hingegen wird diese Maßnahme bislang vor allem diskutiert, jedoch nicht umgesetzt. Entsprechend ist die Vorbereitung auf potenzielle Engpässe im internationalen Vergleich derzeit nicht vorhanden“, so seine Einschätzung.
Preisbildung derzeit nicht möglich, Sachwertkauf vorübergehend ausgesetzt
Bei einigen der betroffenen Seltenen Erden, wie etwa Terbium, sind aktuell kaum nicht-chinesische Bestände verfügbar, der internationale Handel ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Weil die Preise seit 2022 deutlich gefallen und anschließend lange stabil geblieben sind, sahen viele Händler keinen Anlass, sich mit diesen Rohstoffen einzudecken, zumal jederzeit günstig nachgekauft werden konnte. In der Folge existieren kaum Lagerbestände, der Markt ist wie gelähmt, und selbst eine belastbare Preisbildung ist aufgrund der fehlenden Liquidität momentan kaum möglich. Aus diesem Grund bietet TRADIUM bis auf Weiteres weder den Kauf noch den Rückkauf von Seltenen Erden als Sachwert an.
Mit Lieferverzögerungen ist zu rechnen
China greift mit den Exportkontrollen Seltener Erden auf eine bekannte Strategie zurück, die bereits unter anderem bei den Technologiemetallen Gallium und Germanium Anwendung fand. Damals führte die neue Genehmigungspflicht kurzfristig zu einem Ausfuhrstopp, da die Bearbeitung der Anträge längere Zeit in Anspruch nahm. Eine derartige Verzögerung ist nun auch bei den Seltenen Erden zu erwarten. Für Europa könnte eine Wiederaufnahme der Lieferungen innerhalb der kommenden drei Monate realistisch sein, für die USA hingegen sei dies derzeit nicht absehbar, so die Einschätzung von Giese. Er sehe zudem derzeit keine Anzeichen dafür, dass China Europa vollständig von Seltenen Erden oder darauf basierenden Produkten wie Magneten abschneiden will. „Aber gleichzeitig hat China klar signalisiert, dass es auf mögliche handelspolitische Entwicklungen im Verhältnis zu den USA mit entsprechenden Maßnahmen reagieren kann“, so der Seltenerdexperte weiter.
Einen Überblick der Beiträge, in denen TRADIUMs Expertise gefragt war, sehen Sie hier:
Handelsblatt: Schlimmstenfalls könnten Fabrikbänder in Europa stillstehen
n-tv: Die Versorgung könnte in wenigen Wochen zusammenbrechen vom 22.April 2025
Financial Times: China’s rare earths controls prompt fears of auto shortages and shutdowns
IT-Boltwise: Chinas Exportbeschränkungen bedrohen globale Automobilindustrie
Volatile Märkte erfordern fundierte Analysen – mit TRADIUM bleiben Sie informiert
An den neuen Exportauflagen zeigt sich, wie eng geopolitische Konflikte mit der globalen Rohstoffversorgung verflochten sind. Noch ist unklar, welche Dynamik der Markt in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird und welche der von den Experten genannten, möglichen Szenarien tatsächlich eintreten werden. Klar ist jedoch: Die Versorgung mit Seltenen Erden ist ganz weit oben auf die politische und wirtschaftliche Agenda gerückt. TRADIUM wird das Geschehen für Sie weiterhin aufmerksam verfolgen und Sie regelmäßig mit Informationen und Analysen versorgen. Tagesaktuelle Informationen zu diesen und weiteren Themen finden Sie außerdem bei Rohstoff.net.